FG Ornithologie DresdenProjekteKartierung von Höhlenbäumen

Erfahrungen bei der Kartierung von Höhlenbäumen in der Dresdner Heide

Grundlagen und Ziele der Erfassung

Das Schwarzspechtmännchen schaut nach, was draußen los ist und ob eine Gefahr für die Brut droht. Deutlich sichtbar ist, dass sich das Rot im Gegensatz zum Weibchen über den ganzen Kopf erstreckt. – Foto: Andreas Knoll
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Das Schwarzspechtmännchen schaut nach, was draußen los ist und ob eine Gefahr für die Brut droht. Deutlich sichtbar ist, dass sich das Rot im Gegensatz zum Weibchen über den ganzen Kopf erstreckt. – Foto: Andreas Knoll

Seit Spätsommer 2005 sind Dresdner Ornithologen regelmäßig in der Dresdner Heide unterwegs mit dem Ziel, die Höhlenbäume der Spechte zu kartieren und zu markieren, um sie als wertvolle Habitatbäume kenntlich zu machen. Diese Maßnahme bewahrt die Spechtbäume vor einem versehentlichen Fällen und sichert sie somit als Lebensraum für Höhlenbewohner. Die Kennzeichnung durch ein „H“ erfolgt mit einem forstüblichen Markierungsspray in der Farbe blau.
Als Projekt des Naturschutzinstitutes Dresden (NSI) im Auftrag der unteren Naturschutzbehörde der Stadt gestartet, kann es aber von den Mitarbeitern des Institutes allein nicht umfassend realisiert werden, sodass die ehrenamtlich forschenden Ornithologen der NABU-Fachgruppe Ornithologie Dresden um Unterstützung gebeten wurden.
Im Mittelpunkt der Erfassung stehen die Höhlen des Schwarzspechtes, der als größter heimischer Specht als einziger Vogel in der Lage ist, großräumige Höhlen zu bauen, die für eine Vielzahl von Nachmietern wie Hohltaube, Wald- und Rauhfußkauz, Mandarinenten, Hornissen, Wildbienen, Fledermäuse, Eichhörnchen, Marder und viele andere Wirbeltier- und Insektenarten Quartier bieten. Der Schwarzspecht nimmt damit eine Schlüsselstellung innerhalb des Ökosystems Wald ein. Seine herausragende Rolle für die Artenvielfalt macht ihn besonders schützenswert, sodass er nach bundesdeutschem Recht eine streng geschützte Art ist und als Vogelart im Anhang I der EU-Vogelschutzrichtlinie auch nach europäischem Recht den höchsten Schutzstatus hat.

Die Funktionen geschützter Höhlungen werden oftmals unterschätzt. Sie sind nicht nur Brutplatz, sondern auch Schlafraum, Aufenthaltsort bei schlechtem Wetter, Fressplatz und Nahrungsdepot. Deshalb werden auch weitere Höhlenbäume, zum Beispiel mit Buntspechthöhlen, die der Sperlingskauz zum Brüten benötigt, sowie Horstbäume von Greifvögeln kartiert und markiert. Damit können auch diese ökologisch wertvollen Bäume bei der forstlichen Nutzung leichter erkannt und geschont werden. Nach der Markierung der Bäume sind deren regelmäßige Kontrolle und das Anlegen einer Höhlenbaumkartei beziehungsweise -chronik sinnvoll. Nur so kann die Dynamik in der Nutzung der Spechthöhlen dokumentiert werden. So wurde bereits nach vierjähriger Beobachtungszeit deutlich, dass eine Vielzahl verschiedenster Lebewesen die Baumhöhlen nutzt und das nicht nur nebeneinander, sondern auch nacheinander. Eine große Zahl freier Höhlen wird aus diesen Gründen ständig benötigt. Schon der Schwarzspecht allein braucht neben der Bruthöhle eine Schlafhöhle und zusätzlich eine Ersatzhöhle, die er bei Störungen direkt anfliegen kann. Dies bedeutet, dass bei der derzeit bekannten Zahl von etwa 22 Schwarzspechtpaaren in der Dresdner Heide von diesen Spechten pro Brutpaar und Revier fünf, also insgesamt mindestens 110 Höhlen regelmäßig gepflegt und genutzt werden. Obwohl sie diese aus fast 300 Höhlenbäumen auswählen können, herrscht besonders um die begehrten neuen und damit trockenen und nicht ausgefaulten Höhlen eine starke interspezifische Konkurrenz. Auch deshalb ist ein scheinbares Überangebot an Höhlenbäumen unbedingt zu sichern. Daneben existiert eine beträchtliche Zahl an Initialbäumen. Darunter versteht man Bäume, die von den Spechten durch kleine Anschläge oder Höhlenanfänge schon als Brutbäume der Zukunft auserkoren wurden und bei Höhlenverlusten, manchmal erst nach Jahren, fertig gebaut werden. Da sich die Hacktätigkeit der Spechte immer wieder auf die einmal angenommenen Bäume konzentriert und dadurch im Laufe der Jahre nicht wenige Bäume mit fünf bis zehn oder noch mehr Höhlen entstehen, ist deren Belassen im Bestand nicht nur eine ökologisch wichtige, sondern sogar eine durchaus sinnvolle ökonomische Maßnahme.

Notwendige Zusammenarbeit

Schwarzspecht-Höhlenbaum mit mehreren Höhlen: Aus der oberen, sehr großen Höhle schaut ein fast flügger Jungvogel. – Foto: Andreas Knoll
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Schwarzspecht-Höhlenbaum mit mehreren Höhlen: Aus der oberen, sehr großen Höhle schaut ein fast flügger Jungvogel. – Foto: Andreas Knoll

Als notwendig und sehr erfolgreich haben sich bei dieser Tätigkeit der persönliche Kontakt und der Erfahrungsaustausch zwischen Naturschutzbehörde, den Förstern und den Ornithologen erwiesen. Dieser wurde durch gemeinsame Forstbegehungen aufgebaut. So kann bei Auffälligkeiten beziehungsweise besonderen Vorkommnissen oder Vorhaben im Wald schnell informiert und seitens der Verantwortlichen reagiert werden. Die Revierförster holen zum Beispiel vor geplanten Durchforstungsmaßnahmen den Rat der im Gebiet tätigen Ornithologen ein, und andererseits werden den Förstern die gefundenen Brutplätze bedrohter beziehungsweise seltener Arten wie Habicht, Sperber, Schwarzspecht und Sperlingskauz von den Ornithologen vorgestellt. Denn das althergebrachte Denken mancher Vogelkundler, die ihre entdeckten Raritäten am liebsten für sich behalten wollen, würde der Natur nicht nützen.

Ausgewählte Erfassungsergebnisse

Die statistische Auswertung ist noch nicht abgeschlossen. Deshalb kann nur eine Auswahl der Ergebnisse vorgestellt werden. Ziel ist es, alle Bäume mit Spechthöhlen der in der Heide vorkommenden Klein-, Bunt-, Grün-, Grau- und Schwarzspechte zu finden. Geräumige Naturhöhlen dienen dem Waldkauz als Brutplatz und werden ebenso wie Horstbäume von Habicht, Sperber und Mäusebussard kartiert. So gelang in den etwa zehn Habichtrevieren der Dresdner Heide die Erfassung von jeweils ein bis vier Horsten, deren Nutzer in der Regel Habicht und Mäusebussard sind. Von letzterem existieren mindestens 20 besetzte Reviere. Schwieriger ist es, Sperberhorste zu finden, da diese Art dichte Fichten- oder Kiefernstangen bevorzugt und jährlich neu baut. Auch der Sperber ist mit mindestens zehn Paaren hier vertreten.

Insgesamt gelang bisher die Markierung von mehr als 600 Höhlenbäumen. Wie wichtig es ist, diese Bäume zu kennen und zu kontrollieren, um die Verbreitung und Häufigkeit der Höhlenbewohner richtig einschätzen zu können, sollen folgende Angaben deutlich machen. Bei Geländegängen kann der Schwarzspecht flächendeckend in der Dresdner Heide angetroffen werden. Da er sehr große Reviere hat und Männchen und Weibchen verschiedene Höhlen anbalzen, die sich bis zu einem Kilometer voneinander entfernt befinden können, ist es sehr schwierig, die genaue Brutpaarzahl zu ermitteln. Mit fortschreitender Kenntnis der Höhlen ergab sich folgendes Bild: 2006:13 Paare gefunden, 2007:16 bis 18 Paare nachgewiesen, 2008 waren 20 und 2009 22 Brutpaare bekannt. Mittlerweile ist die Zahl der Reviere auf ca. 30 in der gesamten Dresdner Heide angewachsen. In den letzten etwa fünf Jahren erfolgte nicht nur eine bessere Kenntnis der Reviere, sondern auch eine deutliche Zunahme des Schwarzspechts. Die Hohltaube gilt als produktivster Nachnutzer von Schwarzspecht-Höhlen. Ihre Brutpaarzahl beträgt in der Heide etwa 30-35. Da sie mehrere Jahresbruten tätigt, stellen vor allem die Jungtauben eine der bedeutendsten Nahrungsquellen für die großen Beutegreifer des Ökosystems Wald, zum Beispiel den Habicht, dar.

Auch die aktuellen Brutnachweise des heimlichen Sperlingskauzes gelangen durch die gezielte Suche beziehungsweise Kontrolle von Höhlenbäumen. Besetzte Bruthöhlen fanden sich 2007 eine, 2008 vier und 2009 eine; in den Folgejahren in der Regel 1-3. Da unser kleinster Kauz gut erhaltene Buntspecht-Höhlen in Nadelbäumen bevorzugt, deren Qualität durch Fäulnisprozesse oder Verharzung schnell nachlässt, zieht er in der Regel jährlich in neue Höhlen um. Deshalb und aufgrund des unauffälligen Verhaltens der Vögel während des Brütens ist es sehr schwierig, eine Brut rechtzeitig beziehungsweise überhaupt zu finden. Darum kann auch diese Art nur durch den konsequenten Erhalt aller Buntspecht-Höhlenbäume sowie des Jungwuchses und der Dickungen in deren unmittelbarer Umgebung wirkungsvoll geschützt werden.

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Ein Schwarzspecht-Weibchen schaut aus der Bruthöhle. Die Höhle wurde neu in einem toten Buchenstamm gebaut. Das geht im Totholz zwar schnell, aber die Gefahr des Windbruchs ist sehr hoch. – Foto: Andreas Knoll
Ein Schwarzspecht-Weibchen schaut aus der Bruthöhle. Die Höhle wurde neu in einem toten Buchenstamm gebaut. Das geht im Totholz zwar schnell, aber die Gefahr des Windbruchs ist sehr hoch. – Foto: Andreas Knoll
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Das Schwarzspechtweibchen sichert mehrfach, bevor es in die Höhle einschlüpft. Die rote Färbung ist nur auf den Hinterkopf beschränkt. Beide Partner wechseln sich beim Brüten regelmäßig zu festen Zeiten ab. – Foto: Andreas Knoll
Das Schwarzspechtweibchen sichert mehrfach, bevor es in die Höhle einschlüpft. Die rote Färbung ist nur auf den Hinterkopf beschränkt. Beide Partner wechseln sich beim Brüten regelmäßig zu festen Zeiten ab. – Foto: Andreas Knoll

Diskussion und Ausblick

Eine „Spechtflöte“: Darunter versteht man Bäume mit mehreren Höhlen, ähnlich den aneinander gereihten Löchern in einer Flöte. Im Inneren sind die Stämme meistens schon so stark ausgefault, dass mehrere Höhlen zu einem „Kamin“ verbunden sind. Dieser geschlossene große Hohlraum dient im Beispielfoto der Anlage eines großen Hornissennestes, was die große Bedeutung der Spechtbäume nicht nur für andere Höhlenbrüter, sondern auch für staatenbildende Insekten unterstreicht. – Foto: Andreas Knoll
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Eine „Spechtflöte“: Darunter versteht man Bäume mit mehreren Höhlen, ähnlich den aneinander gereihten Löchern in einer Flöte. Im Inneren sind die Stämme meistens schon so stark ausgefault, dass mehrere Höhlen zu einem „Kamin“ verbunden sind. Dieser geschlossene große Hohlraum dient im Beispielfoto der Anlage eines großen Hornissennestes, was die große Bedeutung der Spechtbäume nicht nur für andere Höhlenbrüter, sondern auch für staatenbildende Insekten unterstreicht. – Foto: Andreas Knoll

Höhlenbaumschutz ist nicht nur Spechtschutz, sondern spielt eine wesentliche Rolle bei der Erhaltung der Artenvielfalt in der Lebensgemeinschaft Wald. Die Erfassung, Betreuung und regelmäßige Kontrolle der Bäume sowie eine wissenschaftliche Auswertung sind sehr zeitaufwendig, sollten aber auf Dauer gewährleistet sein.

Die Kennzeichnung der Horst- und Höhlenbäume erfolgt in der Dresdner Heide durch ein blaues „H“ forstüblich mit Markierungsspray. Schwarz hebt sich kaum vom Untergrund ab und verblasst sehr schnell. Empfehlenswert ist ein helleres Blau, zum Beispiel „Verkehrsblau“. In anderen Gebieten wird ein weißer Ring in Brusthöhe gezeichnet oder ein „S“ gesetzt. Kinder- und Jugendgruppen bevorzugen die „Spechtschablone“. Eine landesweit einheitliche Regelung für die Kennzeichnung von schützenswerten Bäumen ist unbedingt anzustreben.

Die Standortbestimmung bezieht sich auf Revierangaben, wie Forstabteil- und Schneisen-Nummer, Flügel- und Wegenamen. Für das exakte Auffinden der Bäume wäre es günstig, diese Ortsangaben zukünftig durch GPS-Koordinaten zu ergänzen.
Nicht nur der Erfahrungsaustausch zwischen Behörde, Forstamt und Naturschützern, sondern auch gegenseitiges Verständnis und Kompromissbereitschaft als Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit gewährleisten eine langfristige Sicherung lebensnotwendiger Habitate mit wertvollen, alten Höhlen- und Horstbäumen. Neben der Unterweisung der im Forst tätigen Arbeiter sollten auch Selbstwerber auf Artenschutzmaßnahmen hingewiesen werden. Auch Vorträge zum Thema vor den Förstern und weitere Begehungen sind empfehlenswert. Diesbezüglich sehr hilfreich ist das Faltblatt des Naturschutzinstitutes Dresden mit dem Titel „Hinweise und Empfehlungen zum Schutz von Horst- und Höhlenbäumen von Spechten, Greifvögeln und Eulen in der Dresdner Heide“ aus der Reihe „Informationen des NSI zum praktischen Artenschutz“.

Andreas Knoll



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